Donnerstag, Januar 14, 2010

Schleich hat noch nie etwas von "Voicu" gehört



Franz Schleich bestreitet, "Voicu" gewesen zu sein

Franz Schleich, der "Report Mainz" ein Interview verweigert hatte, bestreitet heute in der "Rheinpfalz" für die Securitate gearbeitet zu haben. Er weist in dem unter dem Titel "Was hätte ich denn ausspionieren sollen?" veröffentlichten Artikel  sämtliche Vorwürfe zurück.
"Neben der Literaturnobelpreisträgerin soll der Journalist auch Richard Wagner, Ex-Mann von Herta Müller, sowie die Schriftsteller Horst Samson und William Totok bespitzelt haben", heißt es in dem Artikel, der darauf hinausläuft sämtliche gegen Schleich vorgebrachten Vorwürfe zu entkräften.
Es sei üblich gewesen, heißt es in dem Blatt, dass die von ihm verfassten "Gerichtsberichte" "der Securitate, teilweise auch der Miliz, zur Zensur vorgelegt werden" mussten und das hätte "auch bei der Zeitung, jeder gewusst".
Auf die Frage "ob er mit Securitate-Mitarbeitern" über Herta Müller "oder andere Schriftstellerkollegen gesprochen habe, wollte Schleich dies nicht grundsätzlich ausschließen", heißt es weiter in der "Rheinpfalz".
Dann wird Schleich mit dem Satz zitiert: „Ich habe ja über meine Arbeit alle gekannt, da kann es sein, dass ich auch mal etwas gefragt worden bin und geantwortet habe". Wer diese "alle" waren, erklärt er allerdings nicht und es bleibt auch die Frage offen, ob sich darunter auch der Securitateoberstleutnant Nicolae Pădurariu befunden hat oder andere Geheimdienstoffiziere, die er gelegentlich bei der Übergabe von Berichten getroffen hat und die ihn "instruierten" wie er an der unsichtbaren Front vorzugehen habe.
Die diesbezüglichen Instruktionen veröffentlichen wir hier in den nächsten Wochen. Heute bloß seinen ersten Bericht aus dem OV "Interpretul" aus dem Jahr 1975, in dem er die in Jimbolia/Hatzfeld zirkulierenden Gerüchte über die Verhaftung von Gunter Totok aufschreibt und an Pădurariu weitergibt. Gleichzeitig veröffentlichen wir einen weiteren Bericht aus dem OV "Titan" (vom 3. Juli 1975), den er, wie sein Führungsoffizier anmerkt, aus "eigener Initiative" abgeliefert hat.
Schleich war als Redakteur der "Neuen Banater Zeitung" für Hatzfeld zuständg. Über seine Aufträge, die er in Hatzfeld 1975-1977 für die Securitate zu erledigen hatte, gibt es mehrere handschriftliche Berichte - auf die wir zurückkommen.
Es treffe auch nicht zu, sagte er ebenfalls in der "Rheinpfalz", dass er 1986 "erneut den Kontakt zur Securitate" gesucht habe. Das Protokoll dieser Begegnung ist inzwischen veröffentlicht, sowohl im Original (in der Zeitschrift "Timpul", Nr 11/2009, und am 12.1. 2010 auf der DW-Internetseite) als auch in deutscher Übersetzung (in Heft 2/2009 der "Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik").
In einem Kommentar ("Die Dichter und die Securitate") von Rainer Peter, der in der gleichen Ausgabe der erwähnten Zeitung erschienen ist, heißt es: »Dass Menschen wie Herta Müller beschattet wurden und dass - wie die Literaturnobelpreisträgerin laut „Zeit" ihren „Stasi"-Unterlagen entnehmen konnte - in ihrem Fall auch Kontrollmaßnahmen bezüglich ihrer „Beziehungen mit westdeutschen Diplomaten und westdeutschen Bürgern" angeordnet wurden, war sicherlich eine massive - nicht aber die schlimmste - Form der Verletzung von Menschenwürde.«
William Totok


Der Spitzel und die Nobelpreisträgerin (XL-Version)

Wie ein befreundeter Schriftsteller Herta Müller an die Securitate auslieferte
aus der Sendung vom Montag, 11.1.2010 | 21.45 Uhr | Das Erste




[30 iulie 1975. „Voicu" culege zvonurile legate de arestarea lui Gunter Totok şi le prezintă într-o notă predată ofiţerului său de legătură, lt. col. Nicolae Pădurariu]

Nr. X/1/PN/007/30.VII.1975 Primit: Lt. col. Pădurariu N. Sursa: „Voicu" Problema: Elemente fasciste germane
Notă [1]
Sursa: IICCMER 
Sursa vă informează: Fiind în 17 iulie a.c. la Jimbolia şi discutînd cu Schenk - şef plan la fabrica „Ceramica" - sursa a aflat următoarele în legătură cu Günther Totok [2] : ar fi arestat, în cadrul unităţii militare unde îşi satisface stagiul militar pe motivul că ar fi vrut să sustragă un radio-emiţător, că el ar fi intrat pe calea undelor [în legătură] cu staţia de radio „Europa liberă" unde ar fi transmis direct poezii ale fratelui său Totok William. [3]
Tot în cursul lunii iulie sursa a avut o discuţie cu prof. Balthasar Waitz [...] .
Timişoara, 30 iulie 75
(ss) Voicu
Observaţii
- Cele semnalate despre Totok sînt în mare parte reale şi anume este arestat de organele C.I. dar nu cunoaştem să fi transmis în străinătate poezii ale fratelui său.
- Despre Ortinau Gerhard [există] [...] şi alte semnalări [...].

Sarcini
- Sursa a fost instruită să stabilească date despre concepţiile şi poziţia prezentă a lui Waitz Balthasar, ce scrieri redactează acesta, conţinutul lor şi modul de [deplasare?] [4].

Măsuri
Se va solicita la organele de cercetare penală Sibiu să ne transmită datele ce se referă la Totok William lucrat de noi şi apoi se vor hotărî măsuri.

(ss) Pădurariu

ACNSAS, I 210845, vol. 2, ff. 59-59v

Pasajele astfel marcate [...] au fost anonimizate fiindcă afectează demnitatea umană a unor terţe persoane. - W.T.



[1] Notă manuscrisă.
[2] Corect: Gunter Totok.
[3] În vara anului 1975 au circulat numeroase zvonuri fanteziste, unele puse, desigur, în circulaţie de către Securitate cu scopul de a discredita persoanele supuse unor măsuri dure de represiune. Zvonurile lansate, de pildă, de colaboratorul neoficial „Dan Dumitrescu", astăzi unul dintre oligarhii din România, sau către fostul plutonier de miliţie Vasile Timircan sau lt. col. de Securitate, Nicolae Dragomirescu au fost, bineînţeles, preluate de multă lume, şi distorsionate. Exemple pentru dinamica popularizării unor astfel de zvonuri se găsesc şi-n volumul Constrângerea memoriei.
Dragomirescu îl „lucra“ pe Gunter Totok, după eliberarea din detenţie, în E.D.P. [Evidenţă Dosar Problemă], (cf. D.U.I. „Peregrinul“, ACNSAS, I 235606, vol. 2, f. 12).
[4] Ilizibil, probabil o referire la deplasările lui Waitz la locul de muncă.
***
[3 iulie 1975. "Voicu" relatează din "proprie iniţiativă", precum notează ofiţerul de legatură Pădurariu, despre o întîlnire - nu numai - "bahică" a unor membrii din Grupul de Acţiune]




[Document din D.U.I. „Titan” - Gerhard Ortinau], ACNSAS, I 233471, vol.1, ff.22-23.



Montag, Januar 11, 2010

Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller: Schriftsteller Franz Th. Schleich hat mich bei der Securitate denunziert




Herta Müller fordert Ermittlungen gegen Securitate-Spitzel in Deutschland
Zeitzeugen, Schriftgutachten und Wissenschaftler bestätigen ihre Aussage


Die Langfassung des SWR-Films ist hier zu sehen: Der Spitzel und die Nobelpreisträgerin (XL-Version).



SWR, 11.01.2010

Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller: Schriftsteller Franz Th. Schleich hat mich bei der Securitate denunziert

Zeitzeugen, Schriftgutachten und Wissenschaftler bestätigen ihre Aussage
Herta Müller fordert Ermittlungen gegen Securitate-Spitzel in Deutschland

Mainz. Der Schriftsteller und Publizist Franz Thomas Schleich soll die deutsche Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in den 1980er Jahren für den rumänischen Geheimdienst Securitate unter dem Decknamen „Voicu“ bespitzelt haben. Einer seiner Berichte steht am Anfang der Opferakte von Herta Müller und war nach Ansicht von Experten der Anlass für die Securitate, die rumäniendeutsche Schriftstellerin ins Visier zu nehmen. Das berichtet das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ heute Abend um 21.45 Uhr im Ersten unter Berufung auf Aktenbelege, Zeitzeugenberichte, ein Schriftgutachten und die Einschätzung des Rumänien-Experten der Birthler-Behörde.

Herta Müller bestätigt die Recherchen von REPORT MAINZ. Wörtlich erklärt sie im Interview: „Ja, Franz Schleich steckt dahinter.“ Schleich habe als Spitzel „Voicu“ für die Securitate einen Bericht verfasst, in dem er ihrem ersten veröffentlichten Text, dem Roman „Niederungen“, staatsfeindliche Tendenzen vorgeworfen habe. Herta Müller vermutet, möglicherweise seien „Neidkomplexe“ im Spiel gewesen. Georg Herbstritt, Rumänien-Experte der Birthler-Behörde, erklärt gegenüber REPORT MAINZ zum „Voicu“-Bericht: „Das ist für den Geheimdienst, die Führungsoffiziere, der Anlass gewesen, eine Akte über Herta Müller zu eröffnen und die Verfolgung einzuleiten.“

Herta Müllers früherer Ehemann Richard Wagner, sowie die rumäniendeutschen Schriftsteller Horst Samson und William Totok, die damals zum Literaturkreis um Herta Müller gehörten, erklären gegenüber REPORT MAINZ, sie hätten „Voicu“ zweifelsfrei als Franz Thomas Schleich identifiziert. Ein Schriftgutachten im Auftrag von REPORT MAINZ untermauert diese Aussagen: Darin heißt es, die untersuchten handschriftlichen Securitate-Berichte unter dem Decknamen „Voicu“ stammten „mit mindestens hoher Wahrscheinlichkeit“ von Franz Thomas Schleich.
Historiker Herbstritt erklärt im Interview gegenüber REPORT MAINZ: „Wenn man die Akten der Betroffenen zusammenlegt, wenn man die Erinnerungen der Betroffenen mit heranzieht, dann gibt es eigentlich keinen Zweifel, auf wen es hinausläuft.“ Die Aussagen Herta Müllers und der anderen Zeitzeugen seien „völlig plausibel“.

Franz Thomas Schleich wollte sich auf Anfrage von REPORT MAINZ zu den konkreten Vorwürfen nicht äußern. In einer E-Mail schrieb er lediglich, es sei bekannt, dass der rumänische Geheimdienst auch Akten manipuliert habe: „Diesen Verdacht einer üblen, mehrfachen Manipulation habe ich auch in meinem Fall.“ Wissenschaftler und Zeitzeugen halten diesen Einwand gegenüber REPORT MAINZ jedoch angesichts der zahlreichen handschriftlichen Berichte und anderer Indizien nicht für stichhaltig.

Franz Thomas Schleich zählte damals zum Bekanntenkreis von Herta Müller in Rumänien. Er veröffentlichte Gedichtbände und arbeitete als Journalist für die „Neue Banater Zeitung“. Anfang der 1980er Jahre stellte er einen Ausreiseantrag und machte im Westen mit regimekritischen Artikeln im „Stern“ auf sich aufmerksam. Auf Vermittlung des damaligen Bundesaußenministers Genscher durfte er schließlich in die Bundesrepublik ausreisen, wo er sich in Presseartikeln und Fernsehinterviews als Opfer des Regimes darstellte. Er lebt bis heute in der Nähe von Ludwigshafen, wo er Karriere in der Kommunikationsabteilung eines großen Linoleumkonzerns machte.

Nach Angaben des Zeitzeugen William Totok und des Historikers Georg Herbstritt gegenüber REPORT MAINZ suchte der frühere Spitzel „Voicu“ sogar noch einige Jahre nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik erneut den Kontakt zur Securitate. Wörtlich erklärt Rumänien-Experte Herbstritt im Interview: „Wir wissen aus den Akten, dass er noch mal nach Rumänien zurückgekehrt ist (...), und in Rumänien in der Zeit, in der er dann zu Besuch dort war, noch mal berichtet hat für die Securitate.“ „Voicu“ sei ein „sehr eifriger Spitzel gewesen“, der bereitwillig Belastendes berichtet habe.

Im Interview mit REPORT MAINZ erklärt Herta Müller, die Lektüre ihrer Opfer-Akte des Geheimdienstes belaste sie: „Ich habe immer viele Jahre gedacht, im Freundeskreis hätte es keine Spitzel gegeben. Ich habe jetzt gemerkt, dass das nicht so ist.“ Es sei nicht leicht, mit dem Verrat enger Freunde und Bekannter umzugehen: „Es frisst einen innerlich auf, und man dreht die Dinge im Kopf hunderte Male hin und her. (...) Das hält einen immer gefangen und es zermürbt auch.“ Sie hoffe, dass nun angesichts der Aktenbelege eine Diskussion in Gang komme und Securitate-Spitzel wie „Voicu“ sich erklären und gegebenenfalls auch juristisch verantworten müssten.

Herta Müller fordert, dass gegen in Deutschland lebende Securitate-Spitzel ermittelt wird. Es gebe nicht nur ein Defizit bei der Strafverfolgung, es sei vielmehr bisher gar nichts geschehen. „Deutschland ist ein gemütliches Reservat für Securitate-Spitzel“, kritisiert die Literaturnobelpreisträgerin. Müller spricht sich gegenüber REPORT MAINZ für eine Aufarbeitung der Securitate-Vergangenheit nach dem Vorbild des Umgangs mit den früheren Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des DDR-Staatssicherheitsdienstes aus. Die Securitate sei auch ein deutsches Problem: „Sowohl Opfer wie auch Täter sind jetzt hier und deutsche Staatsbürger.“ Nach Schätzungen von Wissenschaftlern leben zwischen 500 und 2.000 frühere Spitzel des rumänischen Geheimdienstes in Deutschland.
Stand: 11.1.2010, 13.57 Uhr

Text: Pressemitteilung SWR

Hier Link der Pressemitteilung des SWR.


Report Mainz, 11.1.10, Sendung, ARD, 21:45 Uhr

Wiederholungen:

12. Januar 2010
00:40 Uhr, SWR Fernsehen
05:00 Uhr, Das Erste
07.30 Uhr, EinsExtra
09:30 Uhr, rbb
20.15 Uhr, EinsExtra

'Informatorul şi laureata
Premiului Nobel', DW, 12.1.2010
Anexă NOTA - RAPORT din 11 aprilie 1986. Semnează lt. col. de Securitate, Nicolae Pădurariu - după întîlnirea cu Franz Schleich. 

Der Spitzel und die NobelpreisträgerinWie ein befreundeter Schriftsteller Herta Müller an die Securitate auslieferte

aus der Sendung vom Montag, 11.1.2010 | 21.45 Uhr | Das Erste

Literatur zum Thema

(Anm. HJS: Einige der eingebauten Links funktionieren nicht mehr. Viele Seiten wurden inzwischen gelöscht oder durch neue ersetzt.) 

[Aktualisiert 4.3.2023; 14:30 Uhr]